Mit diesem Text möchte ich dazu beitragen, noch wenig beachtetes Wissen verfügbar zu machen, das die Zusammenhänge zwischen der üblichen Art unseren Verstand zu nutzen und der Auswirkung auf unser Wohlbefinden beleuchtet.
Ausgehend und inspiriert durch das YouTube-Video „Samadhi, 2021 – Teil 3“ des Kanadiers Daniel Schmidt möchte ich deren Hauptbotschaften kurz darstellen und wie sie im Alltag umgesetzt werden.
Samadhi – Können wir uns vom Leiden befreien?
Der kandadische Filmemacher Daniel Schmidt scheint mit seinem YouTube-Video Samadhi, 2021 – Teil 3 – „Der weglose Weg“ eine erstaunlich einfache Antwort darauf zu haben.
Er geht von der Annahme aus, dass in der heutigen Zeit die meisten Menschen vollständig mit den grobstofflichen physischen und geistigen Schichten ihres Wesen identifiziert sind – der konditionierten Welt.
Ihnen sei nicht bewusst, dass es höhere Ebenen gibt und ein spirituelles Potential in ihnen schlummert, das darauf wartet, aktiviert zu werden. Sobald dieses Potential erkannt ist, kommt es zu einer Verbindung mit den subtileren Ebenen unserer Existenz und wir treten in Kontakt mit unserer wahren Natur.
Nach den alten vedischen Lehren existieren 5 Hüllen der Seele:
1. grob – physisch
2. mental
(Diese ersten beiden Schichten entsprechen der konditionierten Welt,
in der die meisten Menschen heute leben)
3. feinstoffliche Ebenen und höhere Geistbereiche
4. archetypische/ursprüngliche Vorlagen der Existenz
5. Kausalbereich, in dem es keine Gedanken oder Empfindungen gibt
Die Verwirklichung des ursprünglichen Gewahrseins ( 5. Hülle) durchbricht die Illusion der anderen Hüllen (1 bis 4), der Schichten von Maya.
Alle Ebenen im Bereich der Veränderung sind Maya (Illusion). Sie ermöglichen uns erst das Erfahren des menschlichen Lebens.
Werden alle Maya-Ebenen als leer vom Selbst (Ego-Konstrukt) erkannt, ist ein unfassbares Einssein erlebbar, das die anderen Ebenen miteinschließt und transzendiert.
Erkennen wir die Welt der Form als ein sich dauernd veränderndes Feld aus dem Streben nach äußeren Dingen, Geld, Macht, Beziehungen, etc. , können wir uns davon lösen und unser Bewusstsein in die feinstoffliche innere Welt bringen.
Unser Leiden rührt daher, dass wir mentale Anhaftungen an Dinge haben und nicht an den Dingen selbst. Haben wir unbewusste Tendenzen oder Lebensmuster, sind wir nicht von den Dingen selbst abhängig: nicht von Drogen, Alkohol, Sex, Essen oder Medien, sondern von den Gefühlen, die sie in uns auslösen.
Auf sensorischer Ebene entsteht ein Muster, ein Programm im Geist, welches der Geist selbst ist und unser „Ego-Bewusstsein“ verkörpert.
Wir werden frei davon, wenn wir den somatischen Bereich direkt beobachten. Gelingt es uns, die wechselnden Erscheinungen des somatischen Ausdrucks wertfrei wahrzunehmen, bleiben wir gelassen und reagieren nicht. Wir beurteilen keine Empfindung als gut oder schlecht.
Erkennen wir, wie diese Anhaftungen entstehen, können wir uns davon lösen. Wir beginnen, die mentalen und Sinnesreize als ein sich veränderndes Feld wahrzunehmen, ohne uns daran zu binden.
Die Identifikation und die Welt der Form sind das Ergebnis von Anhaftungen.
Das Feld der Veränderung wird „Prana“ oder „innere Energie“ genannt: das Fühlen der inneren Lebendigkeit.
Das Auflösen der unbewusst ablaufenden Muster von Begehren und Abneigung, die konditionierten Prägungen, die Identifikation mit unserer Person oder sozialen Gruppe, etc. ist der Schlüssel, um aus dem „Ego-Bewusstsein“ herauszukommen und die Wahrheit zu erkennen.
Damit wird der Weg frei, uns vom Materialismus und den krankhaften Mustern des „immer-mehr-Wollens“ zu verabschieden.
Es geht nicht darum, die „Ich-Struktur“ als Verbindung mit der Welt aufzugeben, sondern sich nicht mehr mit dem „Ego-Konstrukt“ zu identifizieren.
Damit ist unser Gefühl des „Ich“ bzw. das Erfahren unserer Existenz nicht mehr an die Welt der Form gebunden. Wir leiden nicht mehr, wenn sich die Welt der Form ändert.
Die Entwicklung eines Selbstbewussseins und einer eigenen Persönlichkeit ist zunächst ein notwendiger Prozess unserer Evolution, um das Gefühl eines Selbstes oder „Ich“ zu erfahren.
Die Menschheit befindet sich aktuell im Stadium der Identifikation mit dem „Ego“.
Der nächste Entwicklungssprung ist das Realisieren transpersonaler Ebenen des Selbst über ein Selbstbewusstsein hinaus.
„[…] kann man transpersonale Erfahrungen als Vorgänge verstehen, in denen man schlagartig Zugang zu der erweiterten ganzheitlichen Wahrnehmung hat und seine bisherige beschränkte Sichtweise als Illusion erkennt. Die damit verbundene existenzielle Gewissheit, die alle bisherigen Gewissheiten bei weitem übertrifft und im Idealfall in ein durchgänges transpersonales Bewusstsein mündet, lässt es einen dann auch mit Gelassenheit ertragen, wenn man von beschränkten „Realisten“ als beschränkt bezeichnet wird. Schließlich war jeder, bevor er seine personale Maske einmal ablegen konnte, mit einer beschränkten Wahrnehmung ausgestattet und kann jederzeit Rückfälle in alte Muster erleben, wenn er sich nach einem einmaligen Durchbruch bereits für erleuchtet hält.“ (2)
Damit weitet sich auch unsere Sphäre des Mitgefühls aus, es ist eine Ausdehnung durch Liebe.
Aus Sicht der Prägung des Egos kann dies als Krise empfunden werden, weil wir uns nicht mehr auf das Altbewährte, bisher Bekannte stützen können und das Neue noch nicht sichtbar ist. Alles scheint verloren. Dies ist aber Teil des Prozesses. In uns erwacht ein tiefes inneres Wissen, dass wir uns zur Quelle hinbewegen.
Mit dem nötigen Vertrauen und der ehrlichen Bereitschaft in uns hineinzuschauen, meistern wir diese Herausforderung.
Etwas jenseits des begrenzten Verstandes und Sinne erwacht. Wir nähern uns der Türschwelle, wo sich zwei Welten berühren: Sein und Werden.
Diese beiden Welten werden in den alten vedischen Traditionen durch Shiva und Shakti repräsentiert:
Shakti steht für das archetypisch Weibliche, die Manifestation. Der Geist entwickelt sich in die Welt der Form.
Shiva steht für das archetypisch Männliche, das reine eigenschaftslose Bewusstsein, für die Entwicklung/Evolution jenseits der Welt der Form, für das Transzendente.
Verbinden sich diese beiden Dimensionen in göttlicher Union, ist das Samadhi. In dieser Vereinigung repräsentieren sie das Gleichgewicht und gemeinsame Vorhandensein beider Dimensionen: Das ursprüngliche OM, das das Universum ins Dasein tanzt.
Es gibt zwei Wege, die uns zu Samadhi führen:
1. Den „Via positiva“, auch Shakti -Weg genannt:
Dazu werden Techniken und Praktiken benutzt, die vom konditionierten Verstand gelernt werden können. Der Fokus richtet sich auf den feinstofflichen Körper, indem der Atem oder die Gefühle beobachtet werden.
2. Den „Via negativa“, auch Shiva-Weg genannt:
Indem wir alles loslassen, was wir nicht sind, kommen wir zur Erkenntnis dessen, was wir jenseits von Namen und Form sind. Bei diesem Weg geht es um die Transzendierung der manifestierten Welt.
Der Weg zu Samadhi hat viele Namen: Yoga, Meditation, Gebet, Selbsterforschung.
Die ursprüngliche Form der Meditation, die zu Samadhi führt, funktioniert im Grunde ohne Aktivität. Es ist nicht etwas, was man tut oder übt, sondern geschieht durch das Auflösen des Meditierenden, Handelnden oder Suchenden.
Das ganze Bemühen von Meditation zielt auf den Stillstand der Aktivität des Verstandes. Die Fluktuationen des begrenzten egoistischen Verstandes hören auf, der die Identifikation mit dem begrenzten Selbst erzeugt. Es geht um das Auflösen tief unbewusster Strukturen, die unser Leben bestimmen. Es ist ein Auflösen von Karma.
„Hier liegt eine schwierige Klippe beim Eintauchen ins transpersonale Bewusstsein, da die meisten Menschen fürchten, mit ihrer Identität auch ihre Individualität zu verlieren. Dazu besteht aber in Wirklichkeit kein Anlass, denn die unzähligen flüchtigen „Identitäten“ eines Individuums machen gerade seine Individualität aus. Im Gegenteil: Wir verlieren unsere Individualität, wenn wir uns mit bestimmten Wahrnehmungen identifizieren, denn das tun die meisten anderen auch, von denen wir uns dann mit unseren Anhaftungen und Projektionen nicht mehr wesentlich unterscheiden. Entsprechendes gilt für die Makroebene des Ganzen.“ (2)
Auf dem Weg zu Samadhi gibt es zwei Aspekte, die uns an die Identifikation mit dem falschen Selbst binden:
1. Der Körper will Schmerz vermeiden und sich behaglich fühlen.
2. Der Verstand will wissen.
Die Gesellschaft sagt uns, wir sollen Schmerz vermeiden, uns betäuben, Trost suchen und uns auf Komfort ausrichten. Dabei müssen wir uns unserem Schmerz stellen, um unserer wahren Natur auf die Spur zu kommem.
Gleichzeitig müssen wir lernen, gedankenfrei präsent zu sein, einen „nichtwissenden Verstand“ entwickeln.
Wir sollten uns die Gewohnheit des Verstandes bewusst machen, jeden Gedanken, jede Empfindung als gut oder schlecht zu bewerten.
Um in den gegenwärtigen Moment zu gelangen, müssen wir aufhören, auf Gedanken und Gefühle zu reagieren. Gedanken und Gefühle sind ein Feld von sich ständig ändernden Erscheinungen. Was sich nicht ändert, ist das Bewusstsen dieses Feldes der Veränderungen.
Anstatt auf die Objekte im Feld der Veränderungen fixiert zu sein, sollten wir sie als Projektionen des Geistes aufdecken. Alles Leiden rührt daher, dass wir unseren Gedanken und Gefühlen Glauben schenken.
Indem wir uns dem hingeben, was jetzt ist, können wir zu einer tiefen Stille jenseits des konditionierten Denkens erwachen. Wir lassen jeden Gedanken und jedes Gefühl genau so, wie sie sind. Wir richten die volle Aufmerksamkeit auf das, was ist, ohne den Verstand zu bewegen, ohne Gedanken zu unterdrücken.
Wir können beobachten, dass jede Bewegung des Verstandes aus einer Unzufriedenheit mit irgendetwas erfolgt. Vereinfacht gesagt, gibt es kein Problem, wenn kein Denken des begrenzten Verstandes da ist. Dies ist der Moment, in dem das ursprüngliche Bewusstsein aus seiner Identifikation mit dem egoistischen Denken erwacht.
Das begrenzte Denken ist Bewegung und diese Bewegung erzeugt die Illusion von Raum und Zeit. Die egoistische Aktivität des üblichen, konditionierten Denkens sieht und erschafft die Dinge, das Erleben von Raum und Zeit, die Trennung zwischen Tun und Sein, von Erfahrung und Erfahrendem. Die Trennung ist nur ein weiterer Gedankenprozess.
Wenn wir unsere spirituellen Praktiken und Übungen hingebungsvoll ausüben, müssen wir das ohne jede Hoffnung tun. Hoffnung ist genau wie Furcht eine Projektion des Geistes in die Zukunft und beruht auf einer Art Wissen, innerer Vernüpfung mit einer Ego-Struktur aus der Vergangenheit.
Im gegenwärtigen Moment, im Zustand des reinen Gewahrseins gibt es weder Hoffnung noch Furcht und wir können sie als Projektionen des Verstandes erkennen.
Unsere spirituelle Aufgabe besteht darin, die Muster, die uns an die Identifikation mit dem falschen Selbst binden, aufzudecken und aufzulösen.
Das können wir während einer formellen spirituellen Praxis tun, aber auch im normalen Alltag.
Das DU, das Du glaubst zu sein, ist ein Prozess, eine fortwährende Bewegung von egoistischen Gedanken, eine Ansammlung von Gewohnheiten, Mustern und Vorlieben.
Die meisten Menschen benötigen Techniken und Praktiken, um die Konzepte, das Wissen und die Bewertungen von Gut und Böse der Ego-Struktur fallenzulassen.
Mit jeder spirituellen Technik wird das Muster des DU unterbrochen. Techniken wie das Üben einer neuen Disziplin oder das Rezitieren von Worten setzen konditionierte Muster im Verstand, um ein anderes Muster zu entfernen.
Die Technik muss losgelassen werden, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat, sonst entsteht daraus eine Identität mit einer neuen „spiritualisierten“ Selbst-Struktur.
Das konditionierte und programmierte Tun hat sich aufgrund von unvollständigen Erfahrungen gebildet.
Für jede Erfahrung, die unvollendet bleibt, bildet sich ein Eindruck im Geist. Es entsteht ein kleines Programm im Geist. Dieses Programm kann durch Traumata entstehen oder Erfahrungen, die wir als zu schmerzhaft abgekoppelt haben.
Diese gespeicherten Erinnerungen werden auch Samskaras genannt. Unsere Selbst-Struktur besteht aus zahlreichen kleinen Programmen, die sich aufgrund unvollständiger Erfahrungen gebildet haben.
Solange diese Energie im Unbewussten eingeschlossen ist, verbraucht sie Energie, die uns dann nicht mehr zur Verfügung steht.
Wir werden frei von diesen gespeicherten Erinnerungen, sobald wir eine vollständige Erfahrung haben. Dies erreichen wir, indem wir uns unserem tiefsten Schmerz, unseren größten Ängsten unmittelbar stellen, diese in ihrer ursprünglichen Intensität spüren, ohne sie mit Gedanken und Bewertungen zu verbinden. Damit haben wir eine vollständige Erfahrung des reinen Gefühls ohne Emotion. Emotionen sind Reaktionen, Gefühle, die mit Gedanken verbunden sind.
Je mehr gespeicherte Erinnerungen aufgelöst werden, desto reiner wird das Innere und das wahre Sein nimmt darin Platz.
Wir verbinden uns mit den höheren Ebenen des Geistes und warten auf weitere Anweisungen.
Wenn die Bewegung des Verstandes aufgegeben wird, bleibt die Wahrheit übrig. Du bist bereits das, wonach Du suchst, aber Du identifizierst Dich mit dem falschen Selbst.
Auf dem weglosen Weg erwachen wir von der Identifikation mit der Person, die macht und erkennen die Dimension des Seins.
Für die Verwirklichung von Samadhi unterwerfen wir uns der Sehnsucht der Seele nach Einheit. Das Verfolgen äußerlicher Ziele wird hohl und bedeutungslos erscheinen.
Alles ist schon enthalten in der uranfänglichen Stille.
Die sogenannte äußere Welt wird transzendiert im Erkennen der Stille, die wenn sie erkannt ist, das miteinschließt, was sie transzendiert.
Der Urgrund unseres Seins, die essentielle Natur der Wirklichkeit ist ewig, sie ändert sich nie.
Diese eingeborene Intelligenz des Universums lebt in uns, lebendig und frei von Konditionierung.
Ein anderer Name für diese Energie ist Liebe.
Quellen:
1) Samadhi Movie, 2021 – Part 3 – „The Pathless Path“ [Video] YouTube
Verfasser und Produzent: Daniel Schmidt
(2) Andreas Tenzer: Philosophie und Spiritualität, Köln
www.psp-tao.de/transpersonaleerfahrungen